Hilfe mein Kind beißt – Wie reagiere ich darauf und warum beissen Kinder?
Inhaltsverzeichnis
Was soll ich tun wenn mein Kind mich oder andere beißt? Also erstmal wie immer im Umgang mit Kindern gilt: kein Grund zur Panik. Dass Kinder aus Neugier beißen und sich ausprobieren ist an sich ganz normal und gehört zur alterstypischen Entwicklung von Klein- und Vorschulkindern. Problematisch wird es, wenn sich dieses Verhaltensmuster etabliert oder es unkontrolliert geschieht.
In diesem Artikel schildere ich euch 1. meine eigenen Erfahrungen und 2. was Experten zum Thema beißen unter Kindern zu sagen haben sowie welche Ratschläge die Experten im Umgang mit beissenden Kindern geben.
Wie reagiere ich richtig, wenn mich mein Kind beisst?
Eigene Erfahrung: Mein Kind hat mich gebissen
Ich selbst kam in die unschöne Situation gebissen zu werden als unser Kind 2 Jahre alt wurde. Das scheint auch bei anderen Kindern ein gängiges Alter zu sein, in dem Sie anfangen andere zu beißen. Zudem sind da in der Regel die Zähne schon gut entwickelt. Mit vier Zähnen wie ein lebendiger Locher biss mir unser Kind ohne Vorwarnung in die Brust.
Als liebender Vater reagierte ich besonnen und habe wohl instinktiv alles richtig gemacht wie ich bei meiner späteren Recherche herausfand.
…und so habe ich reagiert
- Sofort Laut aufschreien. Aua! Was soll das?
- Als direkt der zweite Versuch gestartet wurde hab ich den Kopf unseres Kindes sanft aber bestimmt festgehalten.
- Im Gespräch versucht klar zu machen, dass man andere nicht beisst, weil es weh tut und Schmerzen bereitet
- Auf das beherzte Lachen unseres Kindes habe ich besonnen reagiert: Nein, das ist nicht zum lachen. Das tut mir weh. Du möchtest auch nicht dass Dir jemand Aua macht. Lass das bitte sein!“
- Direkt im Anschluss habe ich unser Kind in den Arm genommen.
- Nach kurzer Pause wurde der Dritte Versuch gestartet. Dieses Mal hat es ausgereicht Augenkontakt herzustellen und bestimmt zu sagen: „Nein. Du wirst mich nicht beissen!“
Es hat wunderbar funktioniert. Seitdem ist nur noch ein einziges Mal (ein paar Tage später) ein Beißversuch unternommen worden, der durch ermahnendes reden abgewendet werden konnte.
Ich versuche mein Verhalten und die Auswirkungen auf das Kind jetzt selbst zu analysieren.
Durch den 1. Punkt, merkt das Kind sofort Oha, jetzt ist etwas passiert. Ob positiv oder negativ weiß es vermutlich noch nicht zu deuten aber es wird zumindest zeitlich mit dem Beißen in Verbindung gebracht.
Das sieht auch die gelernte Erzieherin
Der 2. Punkt hat dem Kind klar gemacht, dass es dass nicht schon wieder tun kann. Es wird physisch daran gehindert. Vermutlich registriert das Kind nun, dass es nicht beißen soll.
Mit dem 3. Punkt wurde dem Kind auf mentaler Ebene erklärt, was es da tut und warum man das nicht tun soll.
Das Lachen aus Punkt 4 deute ich als Versuch das gesagte wegzuschieben. Durch das erneute erklärende Verhalten und darauf beharren, dass beissen nicht in Ordnung ist wird dem Kind Beständigkeit in dieser Frage vermittelt. Es wird im Umkehrschluss angeregt, darüber nachzudenken ob es dem Kind selbst gefallen würde wenn jemand anderes es beisst.
5. Die Umarmung bzw. Nähe signalisiert dem Kind, dass nicht nachtragend ist und es trotz Meinungsverschiedenheit bzw. falschem Verhaltens nichts zu befürchten hat. Das Kind lernt, sich auf den Erwachsenen verlassen zu können. Dazu rät auch Dr. med. Andreas Busse: „Machen Sie ihm aber auch deutlich, dass Sie ihm nichts nachtragen oder böse sind.“ Quelle: Rund-ums-baby.de
6. Ein gesundes Kind lässt nicht locker sagte mal jemand zu mir und da ist scheinbar etwas dran. Um das ganze zu verarbeiten und nochmal die Grenzen auszutesten, wurde der dritte Versuch unternommen mich zu beißen weil das erste und zweite Mal ja so lustig war. Hier hat jetzt aber allein das bestimmte Auftreten auf verbaler Ebene gereicht, um den Kind das bereits gelernte zu verfestigen und die Aktion zu stoppen.
Das empfehlen die Experten: Ratschläge wenn das Kind beißt
Wenn ein Kind aus Wut oder Verzweiflung beißt, dann in der Regel deshalb weil es nicht gelernt hat anders mit seinen Gefühlen umzugehen. Hier kann es hilfreich sein, dem Kind eine andere Ausdrucksform zu vermitteln. Man kann dem Kind z.B. zeigen, dass man selbst feste mit dem Fuß aufstampft wenn man wütend ist, so dass diese Form des Abreagierens vom Kind adaptiert werden kann. Alternativ kann man auch auf ein Kissen hauen oder mit einem Aufschrei die Arme in die Luft recken. Man darf nie vergessen, dass man dem Kind ein Vorbild ist und diesem auch gerecht wird.
Alternativ und wenn sich das beißen bereits so verfestigt hat, kann man dem Kind auch etwas zum hineinbeißen geben. Ein Kissen oder etwas Essbares wie eine Möhre. Hier wird zwar das erlernte Verhaltensmuster nicht direkt verlernt, dennoch ist es besser das Kind beißt ein Kissen anstatt die eigenen Eltern, Geschwister bzw. andere Kinder oder Tiere.
Gutknecht, D. (2015): Wenn kleine Kinder beißen. Achtsame und konkrete Handlungsmöglichkeiten. Freiburg im Breisgau
Wie man auf keinen Fall reagieren sollte
- Bitte nicht wütend werden. Selbst wenn das Kind aus Aggression beisst (und das ist in den seltensten Fällen so) soll es nicht lernen das Aggression oder Gewalt ein probates Mittel ist um Konflikte zu lösen. Als Eltern sollte man immer daran denken, ein gutes Vorbild zu sein.
- Nicht aufregen! Wenn das Kind merkt, dass es durch beißen Aufmerksamkeit erhält, wird es diese Aktion künftig nutzen wenn es sich nach Aufmerksamkeit sehnt.
Das sieht auch die staatlich geprüfte Erzieherin Susanne Berthold so: „Beißen löst eine schnelle Reaktion aus, nämlich Schmerzensgeschrei und Aufmerksamkeit der Betreuer.“ Quelle: Apotheken Umschau. Deshalb niemals dem beissenden Kind die Aufmerksam schenken nach der Beissattacke. Sonst etabliert sich das Verhalten u.U. ganz schnell und ist nur schwer wieder abzugewöhnen.
Was tun wenn sich Beißen als Verhaltensmuster etabliert hat?
Wenn das Kind gelernt hat durch das Beißen von anderen seinen Willen durchzusetzen oder Aufmerksamkeit zu erhalten wird es schwierig, das wieder abzugewöhnen.
Das Kind verbindet mit dem Beißen zum einen körperlich als auch psychisch ein Gefühl der Entlastung, es dient als eine Art Ventil.
Wenn es dazu noch gelernt hat, sich durch beißen gegenüber anderen durchsetzen zu können, z.B. beim Streit um ein Spielzeug damit andere Kinder in die Flucht zu schlagen und als Sieger im Kampf um das Spielzeug hervorzugehen, wird es heikel.
Hier muss man zwingend gegensteuern.
In einem solchen Falle, sollte man dem beissenden Kind das Spielzeug wegnehmen und es dem gebissenen Kind zurück geben. Das Kind muss lernen, dass es mit dem unerwünschten Beißverhalten seinen Willen künftig nicht durchsetzen kann. Wenn sich diese Art Verhaltensmuster bereits etabliert hat, werden vermutlich einige Konfliktsituationen nötig sein bis das Kind das angelernte Verhalten abstreift.
Wenn das Kind ein anderes Kind gebissen hat, kann man zudem versuchen das beißende Kind mental auf der Gefühlsebene mitzunehmen. Zum Beispiel in dem man das gebissene Kind tröstet und das eigene Kind mit einbezieht, ja am Besten zum mittrösten bewegt. Dadurch wird es nach und nach lernen, was die richtige und was die falsche Verhaltensweise ist.
Komplett falsch als Reaktion wäre es in Wut, Aggression oder Panik zu verfallen. Das Kind braucht einen festen Anker und darf mit dem beißen von anderen Kindern nicht noch mehr positive Erfahrungen wie erhöhte Aufmerksamkeit oder Verhaltensänderungen der betreuenden Personen in Verbindung bringen.
Das sieht auch die Psychologin und Familienberaterin Dr. Caroline Domogalla so: „Auch Schimpfen und Strafen bedeuten intensive Zuwendung und Aufmerksamkeit. Daher rate ich in der akuten Situation, den Beißenden kurz links liegen zu lassen und sich zuerst dem Opferkind tröstend zuzuwenden“ Quelle: Apotheken Umschau
Unser Kind beißt andere Kinder (z.B. in der Kindertagesstätte oder dem Kindergarten)
Das Kind beißt andere Kinder. Hier muss man als betreuende Person oder Elternteil meiner Meinnung nach unbedingt eingreifen und Sorge tragen, dass sich dieses Verhalten nicht etabliert. Im privaten Umfeld ist dies möglich. Im Kindergarten sieht es wieder anders aus. In dieser Situation ist es meistens nicht möglich als Elternteil einzugreifen. Gefragt sind hier dennoch sowohl Eltern in der Nachsorge als auch die Betreuer im Kindergarten bzw. der Kita direkt vor Ort.
Ganz wichtig nach einer Beißattacke ist es, die ganze Aufmerksamkeit dem gebissenen Kind zu widmen. Und zwar in einer herzlichen Weise wie es sich das beißende Kind eigentlich wünschen würde.
Bekommt das beissende Kind keine Aufmerksamkeit durch sein Verhalten, lernt es mit dieser Verhaltensweise keine positiven Dinge zu verknüpfen und das beißen ihm nichts bringt. Es soll lernen dadurch weder positive noch negative Aufmerksamkeit zu bekommen. Stattdessen wird es lernen, das dass gebissene Kind die Aufmerksamkeit bekommt und Mitgefühl entwickeln.
Gut ist es meiner Meinung nach auch, die Problematik im späteren Tagesverlauf erneut anzusprechen. Zum Beispiel in dem man gemeinsam mit dem Kind etwas als Geschenk für das gebissene Kind bastelt oder ein Bild malt. Dadurch kann das Kind wiedergutmachung leisten und fühlen.
Ein wichtiger Prozess der dem Kind auch im Erwachsenenalter helfen wird Beziehungen zu pflegen und eskalierte Konfliktsituationen im Nachhinein zu mildern.
Gründe für das beißen unter Kindern: Darum beißen Kinder zu
Oft beißen Kinder andere Kinder einfach weil Sie sich (noch) nicht richtig ausdrücken können. Gerade im Kindergartenalter können noch nicht alle Kinder klar miteinander kommunizieren oder ihre Gefühle ausdrücken. „Frustration oder Ärger, die sprachlich noch nicht ausgedrückt werden können, zu Beissen führen. Auch hohe Anspannung und Ängste können von Kleinkindern durch Beissen abgebaut werden.“ Quelle: Wenn kleine Kinder beissen – Informationen für Institutionsleitungen im Vorschulbereich herausgegeben vom Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt.
Der Streit um Spielzeug oder die Begierde danach ist eine Situation in der es oft zum beißen kommt. Wenn Ihr Kind andere Kinder beisst um an deren Spielzeug zu gelangen, zeigen Sie ihm dass es das Spielzeug auch durch andere Mittel bekommen kann. Zum Beispiel indem man auf das Spielzeug zeigt und mit dem anderen Kind Kontakt aufnimmt. Je nach Entwicklungsstand merken die anderen Kinder, dass man mit ihrem Spielzeug spielen möchte. Wenn diese bereit sind es herzugeben, kommt ein positiver Kontakt zu Stande und das Kind lernt seinen Forderungen und Wünschen Ausdruck zu verleihen.
Manche Kinder beißen auch einfach, weil Sie nicht wissen wie sie mit anderen in Kontakt treten können. Zeigen Sie Ihrem Kind wie es auf andere Kinder zugehen und Kontakt aufnehmen kann. Ein freundliches Hallo können schon Kleinkinder über die Lippen bringen. Wenn es sprachlich etwas mehr drauf hat, hängen Sie hinten an: „Ich bin Jonathan“. Dadurch wird zwischen den Kindern ein Gespräch angestoßen, in dem das andere Kind sich vermutlich ebenfalls vorstellt. Eine Situation nach der beide auf Augenhöhe miteinander kommunizieren können.
Ich hoffe mein eigenes Erlebnis mit dem beissenden Kind ist interessant für euch. Ferner hoffe ich, dass sich meine stundenlange Recherche für euch ausgezahlt hat und ihr interessante Tipps und Hinweise zum Umgang mit beißenden Kindern mitnehmen könnt. Ferner hoffe ich einfach für euch einen informativen Artikel über das Beissverhalten von Kindern geschrieben zu haben. Ist das denn so? War dieser Artikel hilfreich für euch? Eure Meinung interessiert mich wie immer sehr, daher bitte ruhig einen Kommentar da lassen wenn ihr irgendetwas dazu zu sagen habt.
Janina
says:Ich finde Du hast ganz vorbildlich reagiert. Ich wünschte ich hätte auch so gelassen reagiert aber irgendwie war ich genervt an dem Tag und dann hat mein Sohn mir wirklich heftig in den Bauch gebissen. Da hab ich ganz schön geflucht und bin laut geworden. Das war nicht so gut und hat mir hinterher auch sehr leid getan. Er wusste gar nicht wie ihm geschieht. Gegen das Beissen geholfen hat meine Reaktion auch nicht, er hat es danach noch mehrfach versucht weshalb ich jetzt auch hier auf Deinem Artikel gelandet bin.
Ich konnte hier einiges mitnehmen und werde das nächste Mal ganz anders reagieren. Von daher kann ich nur mein Lob aussprechen. Mir haben Deine Worte hier sehr geholfen!
Janina
Daddy
says:Danke für das Lob, es freut mich sehr wenn meine Texte einen Mehrwert für jemanden bieten 🙂
Rupert Müller
says:Meiner Meinung nach haben Sie etwas zu sanft reagiert. Ich finde man sollte einem Kind unmißverständlich klar machen, wenn es etwas falsch gemacht hat. Zwar nicht mit Gewalt aber deutlich stärker als Sie es getan haben. Ich bin bei meinen Kindern immer laut geworden, was sie sehr eingeschüchtert hat. Allein durch das Erheben meiner Stimme.
Ich bin selbst auch hart erzogen worden und nun ein pflichttreuer Bürger geworden mit den herausragenden Eigenschaften die man uns Deutschen so nachsagt. Ich weiß nicht ob man bei weicher Erziehung auch so tugendhaft heranwächst.
Ich habe meine Kinder nie geschlagen obwohl ich selbst öfter mal Prügel bezogen habe als Kind. Ich finde es wichtig, daß Kinder ohne Gewalt aufwachsen. Auch sollte man Kinder niemals demütigen oder sie beschimpfen. Als Erwachsener sollte man immer Bestimmtheit und Geradlinigkeit ausstrahlen, ich denke dies hat meinen Kindern gut getan. Sie sind mittlerweile 38 und 49 Jahre alt und haben eigene Familien.
Bei den Enkelkindern bin ich nun deutlich entspannter, für die Erziehung sind die Eltern zuständig nicht die Großeltern. Bei mir dürfen die Kinder nun alles wobei sich deren Eltern bereits die Haare raufen.
Herzliche Grüße
Rupert Müller
Daddy
says:Ihre Meinung kann ich akzeptieren. Ich sehe es ein bißchen anders und werde nur äußerst selten laut, wenn es wirklich einmal drunter und drüber geht oder Gefahr droht erhebe ich auch die Stimme. Ansonsten spreche ich aber immer ruhig mit meinem Kind, auch wenn es mal ungezogen ist (Was zum Glück nicht häufig vorkommt :-))
Es freut mich, dass Sie trotz der negativen eigenen Erfahrungen mit Gewalt im Elternhaus, diese nicht weitergegeben haben. Das zeichnet Sie als Mensch aus, finde ich. Und dass Ihre Enkel bei Ihnen etwas mehr Narrenfreiheit haben, finde ich auch sehr sympatisch.
Vielen Dank für Ihren Kommentar, Herr Müller!